18.06.2024 - StormChasing nach Königslutter am Elm


Im mittleren Ostdeutschland steht heute eine weiträumige Gewitter- und Unwetterlage an. Schwere Gewitter sollen nachmittags von Hessen aus in Richtung Sachsen-Anhalt und Brandenburg ziehen und sich dort massiv verstärken. Die Wetterlage ähnelt dem 22.06.2023 und wir bereiten uns darauf vor, über die A7 nach Süden ähnliche Regionen wie letztes Jahr anzufahren. 

 

Etwa auf Höhe der Lüneburger Heide realisieren wir, dass sich die Gewitterzellen in den von uns favorisierten Regionen nicht optimal entwickeln. Weiter südlich über Thüringen wütet eine Superzelle mit Großhagel, doch die für uns erreichbaren Zellen wollen nicht an Fahrt aufnehmen. Wir fahren trotzdem erstmal weiter und begeben uns bei Hannover auf die A2 nach Osten. Hier entwickelt sich kurz nach 16:00 Uhr hinter Braunschweig eine kleine Zelle, die sich aber nicht wirklich intensivieren will und optisch auch nicht wirklich erkennbar ist. Wir befinden uns nun in einem dichten Regengebiet und werden die Zellen im südlichen Sachsen-Anhalt nicht mehr erreichen, sodass wir bei Helmstedt erstmal Rast machen und uns darauf fokussieren, die Gewitter abzufangen, die abends aus Westen nachkommen sollen. 

 

Kurz nach 17:00 Uhr bemerken wir dann allerdings, dass sich direkt über Braunschweig eine weitere Zelle entwickelt hat. Diese befindet sich nicht mehr im Regengebiet und entwickelt einen intensiven Niederschlagskern. Wir fahren von Helmstedt aus auf der A2 wieder ein Stück nach Westen und positionieren und dort ab 17:25 an einem Feld nördlich von Ochsendorf. Hier haben wir eine perfekte Sicht auf die aufziehende Zelle:




Die Zelle ist nach unserer optischen Beurteilung gut organisiert und rotiert laut Radar auch leicht. 



Wir bleiben knapp 20 Minuten an diesem Standort und lassen die Zelle auf uns zukommen. Der Niederschlagskern driftet dabei etwas nach Nordosten ab, nimmt also nicht direkten Kurs auf uns. Wir warten, bis der Aufwindbereich inklusive leicht auskondensierter Böenfront direkt vor uns liegt:

 

Als wir fast direkt darunter sind, fahren wir ca. 17:45 Uhr wieder los und begeben uns auf der A2 in Richtung Osten wieder ein Stück vor die Zelle. Bei Rennau nehmen wir die Abfahrt und suchen einen geeigneten Standort, als sich die Zelle vor uns nun optisch in beeindruckender Weise präsentiert:

 

Unser Stimmungsdämpfer bezüglich der verpassten bzw. nicht optimal entwickelten Zellen über Sachsen-Anhalt ist damit schon wieder ausgeglichen. Wir positionieren uns südöstlich von Rennau und beobachten die Zelle, wie sie nach Nordosten abzieht. Davor kommen würden wir jetzt nicht mehr, da die Autobahn nach Südost abknickt. 

 

Zeitweise haben wir den Eindruck, dass sich am Aufwindbereich kurzzeitig immer wieder eine Absenkung entwickeln möchte. Eine klare Funnelcloud können wir aber nicht ausmachen. 


Auch wenn unsere Tour bisher nicht optimal verlief, haben wir mit dieser kleinen Zelle Glück gehabt und schöne Motive eingefangen. Nun machen wir eine Pause – es ist nach 18 Uhr und wir müssen etwas essen. 

 

Nach einer Pause von etwa 45 Minuten, haben sich im Raum Hannover und südlich davon neue Zellen entwickelt, die relativ langsam in Richtung Osten ziehen. Das entspricht in etwa den Berechnungen der Nowcast-Wettermodelle. Wir begeben uns also auf der A2 von etwa Braunschweig aus wieder in Richtung Westen und wollen die Zellen im Gebiet östlich von Hannover beobachten. 

 

Gegen 19:10 Uhr finden wir dafür einen geeigneten Standort östlich von Arpke. Hier haben wir gute Sicht auf die aufziehende Zelle. Obwohl wir auf dem Radar eine Einzelzelle und keine linienförmige Anordnung sehen, deutet sich in der Ferne eine Shelfcloud an. Diese macht sich bei Annäherung der Zelle beeindruckend bemerkbar:

 



Wie so häufig, bieten nicht die stärksten Gewitter, sondern die sich relativ gemächlich entwickelnden Zellen - in gut gescherter Atmosphäre und bei relativ geringer Luftfeuchtigkeit - die optisch schönsten Motive:




Wieder warten wir, bis die Zelle fast da ist, und fahren dann erneut auf der A2 ein Stück weiter ostwärts. Hier nehmen wir die nächste Abfahrt bei Groß Schwülper nordwestlich von Braunschweig, fahren auf der B214 ein Stück nach Norden und beobachten die Zelle noch ein paar Minuten aus direkter Nähe bei Wipshausen, bevor wir uns überrollen lassen und die Heimfahrt antreten:



Trotz der anfänglichen Enttäuschung, war dies schlussendlich eins der optisch spannendsten Gewitterchasings der letzten Jahre. 


Wie sich im Laufe der nächsten 48h herausstellte, wüteten während unserer Beobachtungen nur 30-50km weiter südlich in den Landkreisen Hildesheim und Wolfenbüttel insgesamt drei Tornados innerhalb von nur ca. 40 Minuten. Betroffen waren jeweils relativ schmale Schneisen u.a. bei Hohenbüchen, Bockenem und Heere/Sehlde. 




21.06.2024 - StormChasing und Tornados im Raum Hamburg


Am heutigen Freitag steht drei Tage nach unserer langen Tour durch Niedersachsen wieder eine Gewitterlage an. Schwerpunkt dieser ist ein breiter Streifen von Tschechien und das äußere Ostdeutschland sowie das südwestliche Polen. Diese Gebiete sind für uns organisationstechnisch nicht erreichbar und wir fokussieren uns auf Gewitterauslöse am Nachmittag und Abend über dem mittleren und nördlichen Niedersachsen. 

 

Gegen 18:45 Uhr machen wir uns von Hamburg aus auf den Weg über die A1 in Richtung Süden. Im Kreis Harburg kurz hinter Seevetal, fahren wir von der Autobahn ab und beobachten ab ca. 19:30 Uhr eine aufziehende Zelle östlich von Buchholz i.d. Nordheide zwischen Klecken und Waldesruh. Hier sehen wir zunächst fast kaum Strukturen:


 

Gegen 20:00 Uhr geraten wir knapp nördlich von Buchholz einmal direkt in die Zelle und bekommen ordentlich Regen ab. Die Zelle entwickelt sich weiter gut und wirkt kräftig, wir sehen aber kaum Strukturen, sodass wir ein Stück weiter auf der Autobahn zunächst nach Osten und dann bei Seevetal auf die A7 nach Süden fahren. Wir kommen dabei nochmal in den Niederschlagskern und es regnet in extremer Intensität. Gegen 20:20 Uhr kommen wir südlich von Seevetal aus dem Niederschlag heraus und sehen erstmals nennenswerte Strukturen, hier die Rückseite der dem Gewitter vorgelagerten Böenfront:

 

Wir nehmen die Abfahrt Ramelsloh und positionieren uns für ein paar Minuten östlich von Ohlendorf, wo wir die abziehende Zelle beobachten:

 



Aus Südwesten nähert sich währenddessen eine neue Gewitterlinie, die auf dem Radar relativ kräftig und gut linienförmig angeordnet wirkt. Wir vermuten hier wieder spannende Strukturen und wollen rechtzeitig davor kommen, sodass wir etwa 20:40 Uhr weiter über Holtorfsloh in Richtung Pattensen fahren. Auf der Landstraße etwa auf halber Höhe zwischen beiden Orten befinden wir uns zunächst zwischen dichter Bewaldung und haben wenig Sicht. Auf dem Radar deutet sich derweilen eine Neu-Intensivierung der Gewitterlinie in ihrem nördlichen Bereich an, etwa im Raum Hanstedt. Als wir eine kurze Lücke in der Baumreihe an der Landstraße erblicken, halten wir an und erkennen sofort, dass wir hier einen guten Standort haben und beobachten die aufziehende Zelle. Dabei beobachten wir zunächst eine verdächtige Absenkung hinter dem nahen Waldstück in Richtung Brackel:

 

Diese nehmen wir in den folgenden Minuten nicht mehr aktiv wahr, da sich ein zweiter Bereich etwas weiter links von uns aus betrachtet optisch auffälliger bemerkbar macht. Nach einer späteren Analyse müssen wir allerdings in Betracht ziehen, dass wir hier möglicherweise einen Tornado beobachtet haben. Das Foto entstand um 20:53 Uhr. Zur selben Zeit gab es der Tornadoliste Deutschland zufolge einen bestätigten Tornado knapp westlich von Brackel, der von Brackel aus auch beobachtet wurde. Dazu eine Karte mit unserem Standort, der Richtung unserer Beobachtung und dem Ort des Tornados:

   Quelle: GoogleEarth

 

Wir beobachten nun aber wie gesagt ein anderes „Gebilde“ weiter links etwa im Raum Toppenstedt / Neu Garstedt: 


 

Ob es sich hierbei ebenfalls um einen Tornado handelt, können wir im Moment der Beobachtung nicht sagen. Eine Absprache mit Tornadoexperte Thomas Sävert von der Tornadoliste hat ergeben, dass es sich voraussichtlich eher nicht um einen Tornado gehandelt hat. Auf dem letzten Foto an diesem Standort ist rechts nochmal die Absenkung zu erkennen, die möglicherweise dem Brackel-Tornado zuzuordnen ist:

 

Wir fahren nun, da wir noch einmal vor die Gewitterlinie kommen wollen, weiter über Pattensen und Luhdorf in Richtung Radbruch. Hier stellen wir fest, dass wir nicht nur sehr schwer einen geeigneten Standort finden können, sondern auch dass die aufkommende Linie optisch fast gar nicht mehr sichtbar ist. Die Luftfeuchte ist hier bodennah ziemlich hoch und es wirkt fast schon neblig. So fahren wir gegen 21:20 Uhr hinter Radbruch noch einmal auf die B404 in Richtung Norden, eigentlich, um in diese Richtung auch unsere Heimreise anzutreten. Dabei fahren wir jedoch nochmal parallel zu einer kräftigen Gewitterzelle und können kurz vor Geesthacht wieder Strukturen erkennen. 

 

Gegen 21:40 Uhr erreichen wir Geesthacht und geraten in einen kräftigen Regen. Um 21:45 Uhr biegen wir auf Höhe eines Industriegebiets im Norden Geesthachts von der B404 ab und nehmen eine Landstraße östlich von Fahrendorf über Hohenhorn und Dassendorf, um dann weiter zur A24 zu fahren. Dabei beobachten wir nichts Spannendes oder verdächtiges mehr und treten unsere Heimfahrt an. 

 

Erst am nächsten Nachmittag erfahren wir über das ESWD, dass es offenbar einen Tornado südöstlich von Hamburg gegeben hat. Der Ortsname kommt uns sofort bekannt vor, der Tornado wütete bei Hohenhorn. Wir gleichen die Uhrzeit des Tornados mit der Uhrzeit unserer Dashcam ab und stellen fest, dass wir nur vier Minuten nach dem Tornado den Ort Hohenhorn durchfahren haben und dabei unwissentlich etwa 800 Meter östlich der kurzen Tornadoschneise entlang gefahren sind. Nach einer kurzen Analyse stellen wir fest, dass wir den zum Tornado zugehörigen Aufwindbereich etwa 6-7 Minuten nach dem Tornado bei Dassendorf auf unserer Dashcam gefilmt haben:



 

So nah dran waren wir beim StormChasing noch nie an einem Tornado. Nächstes Mal klappt es bestimmt…